Am Ende einer Yogastunde (gelegentlich auch zu Beginn) bringen wir die Handflächen zueinander, die Fingerkuppen berühren einander leicht und die Daumen liegen sanft auf dem Brustbein. Diese zugleich demütige und intime Geste verkörpert die Verbindung mit dem innersten, dem Herzbereich, dem “göttlichen Funken” in uns und heißt Anjali Mudra. Begleitet wird die zentrierende und emotional nach innen führende Handhaltung von dem – ausgesprochenen oder stillen – Gruß Namasté.
Viele Yogaschüler_innen machen dann einfach mit, weil es alle tun oder weil es sich sofort irgendwie gut anfühlt. Andere wiederum fühlen sich sehr unwohl in einer betenden Geste und manche sehen sich auch in ihrem christlichen oder muslimischen Glauben zu verhaftet, um ein Namasté zu sprechen. Das darf alles so sein. Was bedeutet Namasté aber nun eigentlich?
Das Göttliche in mir grüßt das Göttliche in dir.
Yoga ist vor allem ein psychologisches, mentales und körperliches Übungssystem, auch eine Philosophie, eine innere Grundhaltung und insofern auch eine Weltanschauung. Yoga ist aber trotz seiner Entstehungsgeschichte keine Religion wie der Hinduismus oder Buddhismus.
Anjali Mudra ist daher auch keine Gebetshaltung im herkömmlichen Sinne und verlangt nicht, dass wir an einen Schöpfer, Gott oder an mehrere personifizierte Götter glauben. Dennoch ist es eine spirituelle Geste: Ich sage damit, dass ich alles ehre, was ich bin und zugleich alles ehre, was du bist. Ich sehe und erkenne an, dass wir gleich sind: Gleich an Menschlichkeit und an Würde und ich erweise dir daher meinen Respekt, der auch mir selbst gilt.
My soul honors your soul. I honor the place in you where the entire universe resides. I honor the light, love, truth, beauty and peace within you, because it is also within me. In sharing these things we are united, we are the same, we are one.
Namasté bedeutet somit auch, bewusst das Gute, Schöne und Wahre in allem zu sehen. Das heißt nicht, vor Schlechtem die Augen zu verschließen und in Passivität zu verharren, sondern immer auch das zu finden, was an einer schwierigen Beziehung oder Situation gut ist. Einem bestimmten Menschen, der uns herausfordert, oder einem Ereignis, das unerwartet und ungewünscht geschieht, auch Gutes abzugewinnen.
Wir selbst gewinnen damit an Kraft, Veränderung herbeizuführen, wo sie möglich ist – oder an Gelassenheit, manches zu akzeptieren, das wir nicht ändern können. Ein wunderbarer Effekt der täglichen Verneigung vor dem Göttlichen: Wenn wir unsere Aufmerksamkeit bewusst auf die guten Dinge legen, werden diese in uns und um uns herum wachsen!
Namasté, Yogis!